Montag, 25. April 2016

Leitungskongress (IV): Michael Diener - Aus der Fülle leiten

Mit Sorge beobachte ich immer wieder die Lagermentalität in der deutschen kirchlichen Landschaft – in der katholischen wie in der evangelischen Kirche: „rechts“ gegen „links“, „konservativ“ gegen „progressiv“. Die Art und Weise, wie übereinander gesprochen wird, wie man an der anderen „Seite“ kein gutes Haar lässt, wie sachliche Diskussionen auf der Grundlage des doch eigentlich gemeinsamen Glaubens durch Polemik und Unterstellungen verhindert werden, auch wie bestimmte Themen mehr oder weniger willkürlich zur Gretchenfrage in Bezug auf Rechtgläubigkeit bzw. Weltoffenheit gemacht werden – das finde ich immer wieder bedrückend.

Michael Diener scheint da anders zu ticken – so wenigstens nehme ich es wahr. Als ehrenamtlicher Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz gehört er zu den prominentesten Vertretern des vom liberalen Mainstream abweichenden deutschen Protestantismus. Im letzten Jahr machte er sich in den eigenen Reihen Feinde, als er beim Thema Homosexualität bei den Evangelikalen zu Selbstkritik und zur Gesprächsbereitschaft mit anderen Positionen aufrief. Wohlgemerkt: Es ging dabei nicht um die Aufgabe evangelikaler Positionen, lediglich zur fairen und nachdenklichen Auseinandersetzung mit anderen Überzeugungen, denen man nach Diener nicht einfach pauschal vorwerfen darf, unchristlich und unbiblisch zu sein.

In Hannover ging es Diener um die Zukunft der Kirche in Deutschland. Sein Vortrag stand unter den Leitworten Vergebung, Barmherzigkeit und Einheit. Nicht das schlechteste Reformprogramm. Bei Prozessen der Gemeindeentwicklung sind das ganz sicher Haltungen, die eine zentrale Rolle spielen müssen.

Gemeinden stellt sich Diener vor als Orte mit Vergebungskultur, als Genesungshäuser.
Und er fügt hinzu: Unsere Zeit schreit danach, dass Menschen barmherzig sind. Wie am nächsten Kongresstag Michael Herbst, so betonte auch Michael Diener, dass die Zuwanderung von Flüchtlingen der Testfall für unsere Bereitschaft zur Barmherzigkeit ist – und zwar jenseits aller politischen Fragen. Sehr eindrucksvoll formulierte Diener, wie wunderbar es doch eigentlich ist, dass sich Millionen Menschen nichts sehnlicher wünschen, als auf ihrer Flucht in demselben Land anzukommen, aus dem noch vor wenigen Jahrzehnten Menschen vor Mord und Terror geflohen sind. Ein unglaubliches Vertrauen, das uns da entgegengebracht wird. Ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist, wird sich an unserer Bereitschaft zur Barmherzigkeit zeigen. Diener warnt: „Lasst uns aufpassen, dass unser Reichtum unserer Barmherzigkeit nicht im Weg steht.“ Davor können sich Christen mit der Einsicht wappnen, dass alles, was wir haben, ohnehin Gott gehört und nicht uns selbst.

Mit der Notwendigkeit der Einheit unter den Christen – auch angesichts von 45.000 unterschiedlichen christlichen Konfessionen weltweit – schloss Dieners Vortrag. Der Kongress in Hannover, und nicht zuletzt auch Michael Dieners Vortrag, bestärkte in mir mal wieder die Überzeugung: Einheit kann da am besten wachsen, wo Christen von ihrem Glauben begeistert sind, wo sie die Mitte ihres Glaubens, den dreieinigen Gott, ins Zentrum stellen, und wo sie das auf eine Weise tun, die nicht über andere Menschen den Stab bricht.

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