Mit dem Star des Kongresses ging es
gleich los: Willow Creek-Pastor Bill Hybels, der zu Beginn gleich mit
einer Anekdote über seine für einen Pastor erstaunliche Berühmtheit
kokettierte. Beim Einsteigen in ein Flugzeug wurde er von den
mitfliegenden Teilnehmern eines Leitungskongresses so begeistert
begrüßt, dass die Stewardess ihn für einen Star hielt. Als sie
erfuhr, dass er ein Pastor sei, war sie erleichtert: "Thank God,
I thought you were someone important!"
In Hannover sprach Hybels über "Das
Unbeschreibbare von Führung". Was Hybels intressant macht, ist
die Begeisterung und Konsequenz, mit der er seit Jahrzehnten das
Thema Leitung ins Zentrum seiner Arbeit stellt. Dieses Thema wird in
kirchlichen Kontexten oft eher etwas verschämt angegangen. Und
sicher: Es kann stellenweise schon ein wenig befremdlich anmuten,
wenn Hybels über die Leitung einer Gemeinde wie ein
Unternehmensberater spricht. Aber fehlende Professionalität und
Kompetenz in der Gemeindeleitung ist eben nicht Ausweis von tieferer
Spiritualität, sondern zunächst eben nur von fehlender
Professionalität und Kompetenz. Wer Leitungsqualitäten
vernachlässigt, tut einer Gemeinde in der Regel nichts Gutes.
Abgesehen davon, wird die tiefe spirituelle Verankerung von Hybels'
Leitungsverständnis immer wieder sehr deutlich. Auch das ist sicher
nicht jedermanns Stil, muss es aber auch nicht sein.
"Leite auf dem höchsten Niveau,
das dir irgendwie möglich ist", fordert Hybels auf. Und dazu
braucht es für ihn neben den eher handfesten Leitungskompetenzen,
die eher versteckten Qualitäten - das Unbeschreibbare von Führung
(The intangibles of leadership). Fünf solche Qualitäten beschreibt
Hybels.
1. Zähigkeit (grit)
Zähigkeit ist die Fähigkeit, bei
Widerständen nicht aufzugeben. Kann diese Fähigkeit entwickelt
werden? Ja, aber das verlangt, dass man Schwierigkeiten erlebt.
Schwierigkeiten und Widerstände sind daher eine große Chance, sich
weiterzuentwickeln, die Zähigkeit zu erwerben, die es braucht, um
auch nach vielen Jahren noch Leitungsverantwortung ausüben zu
können.
2. Selbstwahrnehmung (self
awareness)
Wir haben alle unsere bliden Flecken.
Das Problem ist nicht, dass wir Fehler und Schwächen haben, zu einem
großen Problem kann es werden, wenn wir uns dieser Schwächen nicht
bewusst sind. Bill Hybels' Rat: Frag andere ganz offen nach deinen
blinden Flecken.
3. Erfindungsreichtum
(ressourcefulness)
Diese Qualität definiert Hybels als
die Fähigkeit, heruaszufinden, was man tun soll, wenn man nicht
weiß, was man tun soll. Dazu gehört, sich weiter zu bemühen, wenn
es nicht vorwärts zu gehen scheint, mit anderen Menschen
zusammenzuarbeiten und immer wieder auch zu scheitern - aber auch zu
lernen, das Scheitern zu lieben, weil sich daraus neue Lernchancen
ergeben.
4. Aufopfernde Liebe
(self sacrificing love)
Das steht für Hybels im inneren Kern
eines guten Leiters. "Wenn Leiter aufopfernde Liebe leben,
verändert das eine ganze Organisation." Denn: "Liebe lässt
ein menschliches Herz niemals so zurück, wie sie es vorgefunden
hat."
5. Gefühl für den tieferen Sinn
(sense of meaning)
Leiter sind für Hybels primär
"Sinnstiftungsdirektoren", wie der Dolmetscher "chief
meaning officer" übersetzt. Dem Leiter muss klar sein, warum
seine Organisation für diese Welt wichtig ist - und er muss das
anderen vermitteln. Er muss das Warum begreifen und anderen helfen,
es auch zu begreifen.
Leitung ist so wichtig - so lautet das
wiederkehrende Mantra von Bill Hybels. Und Leitung, so macht er in
seinem Vortrag deutlich, hängt nicht nur an bestimmten Fertigkeiten
- daran auch -, sondern primär an bestimmten Haltungen, die man
erwerben kann, gerade im Lernen aus Fehlern und Misserfolgen.
Prozesse lokaler Kirchenentwicklung,
wie sie der Prozess "Kirche am Ort" zu initiieren versucht,
brauchen gute Leitung. Dazu bedarf es (haupt- und ehrenamtlicher)
Menschen, die Freude daran haben, sich die dafür notwendigen
Kompetenzen anzueignen. Wie bei "Kirche am Ort" geht es
auch bei Bill Hybels' Leitungsverständnis primär um die Frage nach
den richtigen Haltungen. Diese lassen sich weder auf die fünf von
Hybels genannten beschränken, noch auf die vier, die der Prozess
"Kirche am Ort" in den Mittelpunkt stellt (lassen,
erwarten, vertrauen, wertschätzen). Aber die Frage "Aus
welchem Geist heraus, übe ich (dienende!) Leitung aus", muss
gerade im kirchlichen Kontext immer zentral sein und sozusagen die
Hintergrundfolie für alles konkrete Leitungshandeln darstellen. Bill
Hybels konnte plausibel machen, dass eine solche Haltung nicht nur
geistlicher ist, sondern gleichzeitig auch effektiver.
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