Johannes Hartl ist – ich muss es
vorweg sagen – bei mir mit ambivalenten Gefühlen besetzt. Der
katholische Theologe und Gründer des Augsburger Gebetshauses ist ein
sehr origineller Redner und Autor, klug argumentierend und lebendig
erzählend. Geistliches Leben und Gebet ist seine große Leidenschaft
und die Begeisterung dafür will er weitergeben. Gleichzeitig ärgere
ich mich immer wieder über Tweets von ihm, die in
gesellschaftspolitischen Fragen eine eigenartige Freund-Feind-Polemik
pflegen und fragwürdige Stimmungen bedienen. Da frage ich mich
manchmal, ob das wirklich ein und derselbe Mensch sein soll. Naja, in
der Flüchtlingsfrage konnte er in Hannover von Michael Diener,
Christine Caine und Michael Herbst Stoff zum Nach- und vielleicht
Umdenken erhalten – zumindest was manche Formulierungen angeht.
Johannes Hartls Vortrag selbst war
völlig überzeugend. Es ging um das Gebet. Aber zunächst einmal
ging es um – nichts. Und tatsächlich mutete Hartl es den Zuhörern
zu, dass erst einmal lange nichts geschah und nichts gesprochen
wurde. Sich über das Nichts dem Thema „Existenzielles Gebet“
anzunähern, das stößt bei jemandem wie mir, für den die Tradition
negativer Theologie ein ganz wichtiger Einfluss war und ist, gleich
mal auf Sympathie.
Beten heißt für Hartl, sich erst
einmal von jedem „Etwas“ frei zu machen, das sonst unser Leben
bestimmt. Statt dem Etwas-Tun, Etwas-Denken, Etwas-Wollen ist der Weg
des Gebets der Weg nach Innen, der Weg zum Sein führt.
Und solches beten kann man lernen,
führte Hartl aus. Ist das einfach oder schwer? Beten ist wie lieben,
meint Johannes Hartl, es ist einfach, aber es kostet dich alles. Eine
tolle Formulierung! Beten ist der Ort der Kapitulation, der Moment,
an dem ich es aufgebe, selbst etwas erreichen zu wollen und mich ganz
Gott überlasse – ganz einfach und unendlich schwer. Wo solches
Beten gelernt wird, da kann daraus ein Lebensstil entstehen, der von
innen wächst, der komplett aus dem Sein lebt. Das ist eine
Herausforderung für den Einzelnen, aber auch für Gemeinden.
Johannes Hartl träumt von Gemeinden, die das Innen neu entdecken.
Da schließt Hartl an den Wunsch von
Papst Johannes Paul II. an, dass Gemeinden Schulen des Gebets sein
mögen. Lokale Kirchenentwicklung wird in unserem Prozess „Kirche
am Ort“ als geistlicher Prozess verstanden, der von geistlichen
Haltungen geprägt ist. Solche Haltungen sind gut und wünschenswert.
Vielleicht müssen wir uns aber auch noch stärker darauf besinnen,
dass jede nachhaltige kirchliche Erneuerung eine Erneuerung und
Vertiefung des Gebetslebens braucht. Wie können Gemeinden das Innen
neu entdecken und zu Schulen des Gebets werden? Diese Zukunftsfrage
gehört hinein ins Zentrum jeder Kirchenentwicklung und des Prozesses
„Kirche am Ort“.