Es scheint Menschen zu geben, denen
es ganz leicht fällt, an Gott zu glauben. Bei ihnen scheint es, dass der Glaube
zum Leben so selbstverständlich dazugehört wie Essen und Atmen. Ich denke, den
meisten von uns geht es häufig anders. Wir spüren oft, wie schwach unser Glaube
ist, wie sehr von Zweifeln begleitet. Interessant und tröstlich, dass es auch
großen Heiligen nicht anders ging. Vor ein paar Jahren wurden die Tagebücher
der seligen Mutter Teresa von Kalkutta veröffentlicht. Für viele war es kaum
vorstellbar, welch tiefe Zweifel dieser doch eigentlich so glaubensstark
scheinenden Frau darin sichtbar wurden. „Der Platz Gottes in meiner Seele ist
leer. In mir ist kein Gott“, schreibt sie einmal. Und in einem anderen Eintrag
bekennt sie: „Ich habe keinen Glauben.“
Der Zweifel ist für die meisten von
uns Begleiter des Glaubens. Und das ist auch kein Wunder, denn, wie es in der
Lesung aus dem Hebräerbrief hieß, Glauben bedeutet „Überzeugtsein von Dingen,
die man nicht sieht“. Wir sehen Gott nicht vor uns wie einen Baum oder wie
einen anderen Menschen. Mehr noch, Gott nicht zu sehen bedeutet auch, dass wir
ihn nicht verstehen. Wer Gott ist, das entzieht sich unserem Verstand, dass
vermögen wir uns nicht vorzustellen.
Dass der Glaube von uns Christen
sich auf etwas richtet, das wir nicht sehen, das unterscheidet unseren Glauben
vom Glauben an Götzen. Das beschreibt das Alte Testament ja ganz eindrücklich.
Menschen ziehen es meistens vor, sich ihre Götter selbst zu machen, Götter zu erfinden,
die sie klar und deutlich vor sich sehen, die sie verstehen und damit für ihre
eigenen Zwecke gebrauchen können. Menschen halten es oft nicht aus, auf einen
Gott zu vertrauen, der in unserer Welt so wenig sichtbar ist.
„Glaube ist: Feststehen in dem, was
man erhofft“, so heißt es auch in unserer Textstelle. Bei allem Zweifel: Glaube
ist eine feste Entscheidung, auf einen unsichtbaren, aber verlässlichen Gott zu
vertrauen, an ihm festzuhalten in allen Zweifeln, auf seine Treue zu hoffen. So
kann Glaube Halt im Leben geben, indem wir den nicht loslassen, der uns nicht
loslässt, sondern uns immer in Händen hält. So wie auch Mutter Teresa an ihrem
Glauben festgehalten hat trotz aller Zweifel – und wie beeindruckend hat sie
diesen Glauben gelebt.
„Licht des Glaubens“, so ist der
Titel der ersten Enzyklika von Papst Franziskus. Der Text geht noch auf einen
Entwurf von Papst Benedikt zurück. Der Glaube, so wollen uns die beiden Päpste
sagen, vermag unser Leben hell zu machen, kann Licht auf unserem Lebensweg
sein. Das widerspricht nicht dem Satz aus dem Hebräerbrief, dass wir an einen
Gott glauben, den man nicht sieht. Das Licht selbst sehen wir ja auch nicht,
aber es erleuchtet alles in unserer Welt, so dass wir überhaupt etwas sehen
können.
Was es für einen Menschen bedeuten
kann, im Licht des Glaubens zu leben, das verdeutlichen sowohl der Hebräerbrief
als auch die Enzyklika an einem konkreten Menschen: an Abraham. Der Glaube
beginnt damit, dass Gott uns mit unserem Namen anspricht. An Abraham ergeht der
Ruf Gottes. Gott ruft ihn, Gott spricht ihn an – und Abraham antwortet.
Der Glaube beginnt mit der
Erfahrung, dass Gott mich anspricht, dass Gott mich beim Namen ruft, dass er
mich meint, wirklich mich, dass er in eine persönliche Beziehung zu mir
eintreten will. Und diese Erfahrung, dass Gott mich anspricht, das kann mein
Leben verändern.
So hat der Ruf Gottes auch das
Leben von Abraham und Sara verändert. Denn Abraham und Sara haben auf das Wort
Gottes an sie mit ihrem Leben geantwortet. Als altes Ehepaar wagen sie es noch,
aus ihrer Heimat auszuwandern. Keine Sicherheit haben sie in der Hand, nur die
Zusage Gottes und ihre Hoffnung darauf, dass Gott treu ist. Und dann dürfen sie
tatsächlich spüren: Gott schenkt uns Zukunft, wenn wir ihm vertrauen. Gott kann
Antwort sein auf unsere tiefsten Sehnsüchte. Ganz konkret heißt das im Leben
für Abraham und Sara, dass ihnen das Kind geschenkt wird, auf das sie so lange
schon gewartet haben, ihr Sohn Isaak.
Auf Gottes Wort an uns Antwort zu
geben, das kann unser Leben verändern und auf ungeahnte Weise bereichern. Dazu
müssen wir nicht alle unsere Zweifel verleugnen, ganz und gar nicht. Auch ein
schwacher Glaube kann für Gott genügen, wenn wir an ihm festhalten. Vielleicht
stimmt es sogar umgekehrt: Menschen, die sich zu sehr auf ihren eigenen starken
Glauben stützen, die brauchen die Kraft Gottes gar nicht so sehr. Die Kraft
Gottes kann da wirken, wo wir selbst schwach sind – wie im Leben des alten und
eigentlich schon müden Abraham, der alten, abgearbeiteten und enttäuschten
Sara.
Wenn wir uns mit unseren Zweifeln,
mit unserem schwachen Glauben auf den Weg machen, den Gottes Licht uns
leuchtet, dann kann uns aber noch etwas aufgehen. Der Hebräerbrief schreibt
davon, dass Abraham und seine Nachkommen erkannt haben, „dass sie Fremde und
Gäste auf Erden sind“ und „dass sie eine Heimat suchen“.
Der Glaubende ist in dieser Welt
ein Vagabund und Landstreicher, ein Pilger und Obdachloser. Das heißt nicht,
dass wir uns an der Schönheit dieser Welt nicht freuen dürfen. Es heißt aber,
dass wir erahnen, dass das, was diese Welt uns geben kann, dass die
Versprechungen dieser Welt vorläufig sind. Dass weder Geld noch Erfolg, weder
Wissen noch Spaß, weder Sex noch Arbeit Antwort sein können auf unsere tiefsten
Sehnsüchte. „Unruhig ist unser Herz, o Gott, bis es ruht in dir“, so schreibt
der Heilige Augustinus. In dieser Unruhe ist der Glaubende in unserer Welt
unterwegs. Er kann und darf sich an vielen Dingen auf diesem Weg von ganzem Herzen
freuen, aber er ahnt und hofft, dass Gott für ihn „eine Stadt vorbereitet“, in
der dass Licht Gottes einmal wirklich alles Dunkle hell machen wird.
Beten wir füreinander, dass Gott
unserem schwachen und zweifelnden Glauben mit seinem Licht den Weg zeigt zu
dieser Stadt, die auf uns wartet. Amen.