Ich habe bisher nur die ersten etwa 50 Seiten des Buches gelesen, aber schon jetzt wird klar: Halik bietet neue Blickwinkel und regt zum Nachdenken an. Und er sprengt - Gott sei Dank - die altbackenen Grenzziehungen zwischen "konservativ" und "progressiv".
"Gib uns doch einen 'kleinen' Glauben" ist ein Kapitel überschrieben. Darin macht sich Halik seine Gedanken zum Jesus-Wort "Wenn euer Glaube auch nur so groß ist wie ein Senfkorn..." Halik schreibt:
Ein geringer, ja unansehnlicher Glaube muss nicht allein die Frucht einer Sünde der Kleingläubigkeit sein. Im "geringen, kleinen Glauben" kann manchmal mehr Leben und Wahrheit enthalten sein als in "großer" Gläubigkeit. Gilt denn nicht auch vom Glauben dasselbe, was Jesus im Gleichnis vom Samenkorn ausgesprochen hat? Dass es, wenn es ohne Veränderung bleibt, keine Frucht bringe, doch dann, sobald es stirbt, reichliche Frucht trägt? Muss denn nicht auch der Glaube im Leben eines Menschen und im Verlauf der Geschichte durch eine Zeit des Absterbens, eines radikalen Geringerwerdends hindurchgehen? Und ist denn nicht gerade diese Krise im eigentlichen Sinne die Zeit der Heimsuchung, des "kairos", sofern wir diese Situation im Geiste der paradoxen Logik des Evangeliums wahrnehmen, in dem das Kleine das Große überwiegt, Verlust und Sich-Freimachen Gewinn sind und das Geringmachen des eigenen Selbst das Offensein für das Anwachsen des Werkes Gottes sind?
Mit dem "kleinen Glauben" meint Halik aber keineswegs eine liberalistische Anpassung des Glaubens an allgemeine religiöse und weltanschauliche Plausibilitäten:
Ich bin davon überzeugt, dass gerade der im Feuer der Krise gewandelte und gerade von diesem "allzu Menschlichen" befreite Glaube gegenüber den fortwährenden Versuchen religiöser Vereinfachung, Vulgarisierung und billiger Anbiederung stärkere Widerstandskraft entwickeln wird.
Ich finde Haliks Gedanken sehr entlastend. Meinen eigenen Glauben erlebe ich auch oft als klein. Viele meinen, wenn sie es sich nicht vorstellen können, dass es einen Gott gibt, dass Jesus Gottes Sohn ist, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, dann können sie es mit dem Glauben gleich ganz sein lassen. Mir fällt es auch oft schwer, mir all das vorzustellen. Oft ist mein Glaube dafür zu klein. Aber zugleich weiß ich, dass mein Glaube nicht davon abhängt, was ich mir vorstellen kann, wovon ich mich selbst überzeugen kann. Mein Glaube darf klein sein und es Gott überlassen, diesen kleinen Glauben mit seiner Größe zu füllen. Und so beschließt auch Tomas Halik das Kapitel mit einem Gebet:
"O Herr, wenn unsere Religiosität durch unsere Sicherheit ziemlich beschwert worden ist, löse uns doch aus diesem 'großmächtigen Glauben'; entferne aus unserer Religiosität dieses 'allzu Menschliche' und gib uns einen 'Gottesglauben'. Gib uns, so es dein Wille ist, lieber einen kleinen Glauben, so klein wie ein Senfkorn, einen ganz geringen - der doch erfüllt ist von Deiner Stärke!"